|
|
|
Uriah Heep
|
|
Trevor Bolder (b, voc), Mick Box (g), Lee Kerslake (dr), Phil Lanzon (key), Bernie Shaw (voc)
Die nach einer Romanfigur von Charles Dickens benannte, Gruppe kopierte schamlos den brillant-originellen Hardrock von Gruppen wie Led Zeppelin, motzte ihn mit allerlei Keyboards auf und verwandelte ihn - angeführt von einem dramatisch klingenden Rock-Shouter - in bombastische Klanggebilde. "Die mutierte Version von Deep Purple" (Rolling Stone) kam nie über abgedroschene Heavy-Klischees hinaus. Unumstritten sind dagegen die technischen und professionellen Leistungen von Uriah Heep, die in ihrer erfolgreichsten Phase zwischen 1972 und 1977 weltweit 30 Millionen Platten verkauften.
Die Musikjournalisten mochten die rund 30 Mal umbesetzte und zweimal vorübergehend aufgelöste, Band nicht. Bis auf wenige Ausnahmen ignorierten oder verrissen sie die Alben von Uriah Heep, obwohl die vor allem in den frühen 70er Jahren wenigstens zwei bemerkenswerte LP's herausgebracht hatte. Zumindest in ihrem Genre wurden die "Pioniere des Hardrock" (Metal Hammer) bis in die späten 80er Jahre respektiert. Und dank ihres erstaunlichen Durchhaltevermögens erhielten sich Uriah Heep vor allem auf dem europäischen Kontinent eine loyale Fangemeinde.
Gründungsmitglieder von Uriah Heep waren der damals 17jährige Mick Box (* 8.6.1947, London) und der Sänger David Byron (* 29.1.1947, Essex), die sich 1964 bei den Stalkers kennenlernten. Sie spielten Oldies nach und machten sich 1968 selbständig, um Spice zu gründen, aus denen sich nach wenigen Monaten Uriah Heep herausbildeten. Der Keyborder und Gitarrist Ken Hensley (* 24.8.1945, London) und Bassist Paul Newton (* 1946) vervollständigten das Quartett. Hensley galt als begabter Musiker. Er begann bei Kit And The Saracens, wechselte in die Soul-Formation Jimmy Brown Sound und spielte mit Mick Taylor bei den Gods. Er war außerdem Mitglied bei Toe Fat mit Cliff Bennett als Leadsänger. Die Position des Schlagzeugers blieb bei Uriah Heep anfangs vakant. Beim LP-Debüt halfen Ex-Spice Alex Napier und der Elton John-Begleiter Nigel Olsson aus.
"Very 'Umble Very 'Eavy" (D #22) kam im November 1970 in die Läden. Das unausgegorene Sound-Gebräu aus überkommenen Blues-Riffs, simpler Heavy-Motorik und phantasielosen Songs erregte nur in Deutschland Aufmerksamkeit. Allenfalls "Gypsy" (D #30) fiel positiv auf. Die nicht auf dem Album enthaltene, überaus eingängige, Single "Lady In Black" (D #22) wurde im Juni 1971 veröffentlicht. Der Titel mit dem Ohrwurm-Refrain entwickelte sich zum Evergreen der Gruppe und wurde in Deutschland dreimal wiederveröffentlicht. Die höchste Chartnotierung (D #5) erreichte er im Spätsommer 1977. Mit Erscheinen ihres Klassikers erstellten Uriah Heep im Studio bereits das zweite Album. Dazu engagierten sie Keith Baker von Bakerloo als festen Drummer. "Salisbury" (D #31, US #92) wurde dank des üppig orchestrierten, 16minütigen Titelstücks zum Insidertip. Die Aktien von Uriah Heep stiegen auch im Tourneegeschäft. Baker fühlte sich jedoch dem Terminstreß nicht gewachsen und überließ er Ian Clarke den Platz hinter dem Schlagzeug.
Bis zur dritten LP vergingen kaum sieben Monate. "Look At Yourself" (US #63, D #11) signalisierte im November 1971 die Abkehr von den weitläufigen, zumeist sehr einfallsreichen Arrangements. Uriah Heep komprimierten ihre Songs und nahmen Kurs auf die Hitparaden. Mitverantwortlich dafür waren Lee Kerslake und Gary Thain (b), die Clarke und Newton ersetzten. Die Band spielte nun für über drei Jahre in unveränderter Besetzung und profitierte von der gewonnenen Stabilität mit schnittigen, allerdings meist wenig originellen Singles wie "The Wizard" (D #34), "Easy Livin'" (US #34, D 14), "Spider Woman" (D #14), "Stealin'" (US #95, D #40), "Something Or Nothing" (D #45) und den Alben "Demons And Wizards" (GB #16, US #22, D #5), "The Magician's Birthday" (GB #19, US #15, D #7), "Live" (GB #25, US #25, D #8), "Sweet Freedom" (GB #17, US #34, D #12) und "Wonderworld" (US #38, D #7). Allein in den USA erreichten fünf der LP's Goldstatus. Uriah Heep konnten sich in dieser Phase auf ihr todsicheres Konzept verlassen: Bedeutungsschwangerer Gesang, dramatisch-lyrisch inszenierte Songs, aufwendige Instrumentierung und als Grundlage hausbackene, jederzeit nachvollziehbare Rock-Schemata.
Kerslake war früher auch bei den Gods und Toe Fat, und der Neuseeländer Gary Thain begleitete Keef Hartley. Sie brachten die Kontinuität in die Band, und auch, wenn der Sound von Uriah Heep als "geistloser Rock-Luxus" (Melody Maker) abgetan wurde, fühlten sich Hunderttausende von der Gruppe und ihrem melodramatischen Stil angezogen. Der Erfolg stieg den Band-Mitgliedern aber offensichtlich zu Kopf. Mitte der 70er Jahre fielen sie durch Superstar-Gehabe auf, ließen Medien- und Konzerttermine platzen oder sagten bereits gebuchte Tourneen komplett ab.
Als Gary Thain 1974 in Dallas auf der Bühne einen Stromschlag erlitt, standen Uriah Heep vor dem Aus. Während der Rekonvaleszenz verfiel Thain dem Alkohol und Drogen und wurde Anfang 1975 von der Band entlassen. Er starb am 19.3.1976 an einer Überdosis Tabletten.
John Wetton, der bei Family, King Crimson und Roxy Music gespielt hatte, wirkte auf den beiden folgenden, wenig hörenswerten LP's "Return To Fantasy" (GB #17, US #90, D #21) und "High & Mighty" (D #48) als Bassist mit. Uriah Heep wurden als "schlechteste der kommerziell erfolgreichen Bands" (Rolling Stone) bezeichnet und mußten ab "High & Mighty" deutliche Umsatzeinbußen registrieren.
Mit dem Abgang von Wetton feuerten Uriah Heep auch gleich den primadonnenhaften Dennis Byron - "einen der ärgerlichsten Schreihälse der Rockgeschichte" (Rolling Stone). Byron kam noch einmal bei der Hardrock-Gruppe Rough Diamond zum Zug und versuchte es anschließend mit seiner Byron Band. Er starb am 28.2.1985.
Byrons Rausschmiß verstärkte die Auflösungsgerüchte um Uriah Heep. Doch entgegen allen Spekulationen präsentierten Box, Hensley und Kerslake mit Trevor Bolder (b) und John Lawton (voc) neue Mitstreiter, die musikalisch allerdings nichts veränderten. Bolder war einst Mitglied bei den Spiders Of Mars, die zeitweise David Bowie begleiteten, und Lawton fand über die Les Humphries Singers und die deutsche Band Lucifer's Friend den Weg zurück nach England.
Ihrem Stil treu bleibend, verteidigten Uriah Heep mit der LP "Firefly" (D #17) und der Single "Free Me" (D #9) ihren noch guten Marktwert. Doch der ließ nach den zwei weiteren, ziemlich langweiligen Alben "Innocent Victim" und "Fallen Angel" auch in Deutschland nach. Lawton und Kerslake verließen Uriah Heep 1978. Ihre Nachfolger wurden Chris Slade (dr) von Manfred Mann's Earth Band und der ehemalige Lone Star-Sänger Jeff Sloman. Das Album "Conquest" kam beim Publikum überhaupt nicht an, woraufhin sich Uriah Heep endgültig trennten.
Mick Box holte 1981 Lee Kerslake zurück und formierte Uriah Heep mit Bob Daisley (b, voc), Peter Goalby (voc) und John Sinclair (key) neu. Daisley hatte Erfahrungen bei Chicken Shack, Widowmaker und Ozzy Osbourne gesammelt. Sinclair spielte bei den Heavy Metal Kids, und Goalby war Sänger bei Trapeze. Uriah Heep spulten auf den LP's "Abominog" (US #56,D #52) und "Head First" (GB #28, D #56) mit "guten Beispielen für nutzlosen musikalischen Pomp" (Melody Maker) ihre Hard & Heavy-Klischees ab. Ohne Daisley, dafür wieder mit Trevor Bolder, entstand die 85er Produktion "Equator". Danach ging die Band erneut auseinander.
1987 erhielten Uriah Heep als erste westliche Hardrock-Band eine Einladung nach Moskau. Box, Kerslake und Bolder reformierten die Gruppe mit Phil Lanzon (key) und dem Kanadier Bernie Shaw (voc). Die zehn ausverkauften Konzerte in der Moskauer Olympiahalle wurden von 180000 Fans verfolgt. Der Mitschnitt "Live In Moscow" erschien 1989. Im gleichen Jahr lobte die Metal-Szene das neue Studioalbum "Raging Silence" für "klobige Riffs, kurze aber umwerfende Chorgesangs-Sätze und verschachtelte Rhythmen" (Metal Hammer). Die Hardock-Altmeister stellten das Material ab Mai 1989 auf einer ausgedehnten, gut besuchten Deutschlandtournee vor, erzielten aber nur mäßige Umsätze für ihre Platten.
Im 21. Jahr ihres Bestehens, versuchten Uriah Heep im Frühjahr 1991 mit "Different World" ein Comeback in den LP-Charts. "Leiser und mainstreamiger" (Musik Express) setzten sie auf einen, jederzeit austauschbaren, Allerwelts-Rock und zählten endgültig nur noch zur zweiten Garnitur des europäischen Hard & Heavy-Geschehens.
Im niedersächsischen Brackel entstand die 95er Produktion "Sea Of Light" die heftig kritisiert und als ausgewogene Mischung aus "Falsett-Schnulzen und Heavy Metal-Schmieren-Komödie" (Musik Express) beschrieben wurde. Im Frühsommer 1966 folgte mit "Spellbinder" ein weiteres Live-Album, das alle Klassiker der Band festhielt. Uriah Heep reisten als Rock-Denkmal unermüdlich durch europäische Lande und die treuen Fans folgten ihnen. Ein entscheidende Rolle vermochte die Band allerdings nicht mehr zu spielen und zehrte von dem längst verblaßten Ruhm früherer Tage.
Ex-Sänger John Lawton beteiligte sich 1994 an der Reunion von Lucifer's Friend, kümmerte sich aber gleichzeitig um seine Club-Formation Gunhill, die sich dem klassischen, melodischen Rock verschrieb und im August 1977 mit "Nightheat" ein recht passables Album vorlegte.
|
|
|
Uriah Heep
|
|
|
|
|